Dienstag, 5. August 2008

Charlotte Roche - Feuchtgebiete

Feuchtgebiete ist der erste Roman von Charlotte Roche. Er erschien im Februar 2008 und wurde insbesondere durch den sehr offenen Umgang der Protagonistin mit ihrem eigenen Körper und verschiedenen Sexualpraktiken bekannt.

Handlung

Helen Memel ist 18 Jahre alt und liegt auf der proktologischen Abteilung eines Krankenhauses. Sie wartet darauf, dass sie wegen einer Analfissur, die sie sich während der Intimrasur der Anusregion zugezogen hat, und wegen ihrer Hämorrhoiden operiert wird. Helen hegt die stille Hoffnung, dass ihre geschiedenen Eltern durch den Krankenhausaufenthalt der Tochter wieder zusammenfinden. Sie versucht dies zu forcieren und ihren Krankenhausaufenthalt zu diesem Zweck zu verlängern und berichtet von ihren bisherigen sexuellen Erfahrungen, ihrer Einstellung zu Menstruationsblut, Urin, Eiter, Sperma und von ihr angewendeten Selbstbefriedigungspraktiken. Nebenbei züchtet sie Avocados, deren Kerne sie auch in ihre Masturbation einbezieht. Sie flirtet mit dem Krankenpfleger Robin, der ihr beim Fotografieren der Fissur hilft. Letztlich gelingt es ihr trotz einiger Bemühungen nicht, ihre Eltern zu versöhnen. Zum Schluss fragt sie Robin spontan, ob sie bei ihm wohnen dürfe. Daraufhin verlassen beide das Krankenhaus, um auf seinem Fahrrad zu ihm nach Hause zu fahren.

Hintergrund und persönlicher Bezug

Der Roman geht in expliziter und provokanter Weise mit Themen wie Ekel und Sexualität um. Die Erzählerin berichtet von ihrer Praxis mit sexuell motiviertem autoaggressivem Verhalten, Exkrementophilie oder Mukophagie („Körperausscheidungsrecyclerin“) und Gedanken an Inzest und zahlreiche andere Tabuthemen.
Roche zufolge soll das Buch auf bestehende Tabuisierungen in der Gesellschaft hinweisen und übertriebene Reinlichkeitsvorstellungen kritisieren. So werde als Hauptproblem vieler Frauen neben Komplexen bezüglich ihrer Figur auch Hemmungen im Umgang mit ihrer eigenen Körperlichkeit gesehen, die sich insbesondere auf das Sexualleben negativ auswirken würden. Jedoch liege gerade in Körpergerüchen und -flüssigkeiten des Partners ein erotischer Reiz, der durch überzogene kulturelle Hygienevorstellungen oftmals übersehen werde. Roche fordert einen offenen und weniger verkrampften Umgang mit der Sexualität und dem eigenen Körper. Sie lehnt gesellschaftliche Schönheitsnormen wie Schamhaarentfernung oder Schlankheit nicht rigide ab, appelliert aber für ein reflektiertes Verhältnis diesen gegenüber. Frauen sollten sich fragen, ob sie bestimmte Maßnahmen nur unternehmen um Männern zu gefallen, oder ob es ihren eigenen Wünschen entspricht. Auch eine kritische Auseinandersetzung mit neuen Entwicklungen wie Schamlippenverkleinerung und Anal Bleaching sieht sie als notwendig an.[1][2][3]
Das Buch hat weitgehende persönliche Bezüge, laut Roche „sind 70 % des Buches autobiographisch“.[4] Wie Helen Memel war Roche in ihrer Jugend sehr rebellisch und liebte die Provokation. Auch in einigen Details zeigen sich Parallelen, zum Beispiel hat auch Roche ein Brustwarzenpiercing. Roches „Hygienekritik“ äußert sich in dem oft normwidrigen und „ekligen“ Verhalten von Helen Memel.[5][6][7]

Rezeption

Feuchtgebiete ist der erste Roman von Charlotte Roche. Ursprünglich sollte das Buch im Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheinen, der aber das Werk als „pornografisch“ bezeichnete.[8] Mittlerweile ist der Roman in mindestens achtzehn Auflagen bei DuMont erschienen und wurde bis Ende Mai 2008 über 650.000 Mal verkauft. [9]
Feuchtgebiete fand ein großes Medienecho und stieg kurz nach Veröffentlichung im März 2008 auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste. In vielen Rezensionen wird der offene Umgang mit gesellschaftlichen Tabus und der unbefangene Erzählstil gelobt. Es finden sich jedoch auch kritische Meinungen, welche den derben Erzählstil sowie die schlichte Handlung oder den „Pseudo-Tabubruch“ kritisieren.[10][11][12]
„[...] ein Super-Girl im Pipi-Kaka-Land“
– ANDREA RITTER, SILKE MÜLLER, ULRIKE SCHÄFER: Die Zotenkönigin von Muschiland, Stern, Nr. 19, 30. April 2008, S. 175

Ausgaben

• Feuchtgebiete. DuMont Buchverlag , Hamburg 2008, ISBN 978-3832180577.
• Hörbuch: Feuchtgebiete. Gesamtausgabe, 5 CDs. Random House Audio, ISBN 978-3866048720.

Einzelnachweise

1. ↑ «Das Leben und der Sex sind nun einmal körperlich» - Tagesanzeiger
2. ↑ Kolumne: Charlotte Roche - über den wahren Duft der Frauen - RBB
3. ↑ Gegen alle Tabus: »Feuchtgebiete« von Charlotte Roche - Das Literaturcafé
4. ↑ Charlotte Roche im Hallenbad Westdeutsche Allgemeine Zeitung
5. ↑ Das Lexikon der TV-Moderatoren: Charlotte Roche
6. ↑ Die Neue in der Klasse Stern
7. ↑ Interview zum Buch mit Charlotte Roche - Blond Magazine
8. ↑ ORF online (22. März 2008) Von Viva in die "Feuchtgebiete"
9. ↑ Stern: Wer kauft den pinkfarbenen "Porno"?
10. ↑ Oh Muschilein - Die Zeit
11. ↑ Seichtgebiete - Thea Dorn in Die Zeit
12. ↑ Rezensionsnotizen zu Feuchtgebiete beim Perlentaucher

Weblinks

• „Ich stank wie ein Heckenpenner-Iltis“, Interview mit Charlotte Roche im Tagesspiegel, 24. Februar 2008
• Charlotte Roche verirrt sich im Feuchtgebiet, Rezension von Rainer Moritz in der WELT, 15. Februar 2008
• Schleimporno gegen Hygienezwang, Rezension von Jenni Zylka in der tageszeitung, 28. Februar 2008
• Interview zum Buch mit Charlotte Roche – Blond Magazine
• Mädchen mit Avocadokernen von Dorothea Dieckmann, NZZ, 4. April 2008
• Bühne wird zum «Feuchtgebiet» - netzeitung.de, 10. Juli 2008
Quelle: www.wikipedia.de

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